Urlaubsanspruch bei längerer Krankheit
Wenn ein Mitarbeiter für einen langen Zeitraum (z.B. mehrere Jahre) ausfällt, dann läuft der Arbeitsvertrag in der Regel weiter. Doch sowohl auf Seiten der Arbeitgeber, als auch der Arbeitnehmer, herrscht Verunsicherung im Umgang mit den "angesparten" Urlaubstagen. Wir fassen den aktuellen Stand der Rechtslage zusammen.

Im Umgang mit den Urlaubstagen von Mitarbeitern, die über einen längeren Zeitraum krank waren, hat es im vergangenen Jahr ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes gegeben, das viel Verunsicherung ausgelöst hat.
Entscheidend für den Urlaubsanspruch sind immer die Bezugszeiträume. Der Bezugszeitraum für einen Urlaubsanspruch ist in einem Angestelltenverhältnis das Kalenderjahr (§ 1 BUrlG). Nach Ablauf des Kalenderjahres kann der gesetzliche Urlaub häufig noch bis zum 31. März des Folgejahres übertragen werden (§ 7 Abs. 3 BUrlG), sofern dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Übertragung des Urlaubs rechtfertigen.
Doch wie ist das bei Arbeitnehmern, die chronisch erkranken und erst nach Ablauf von mehreren Bezugszeiträumen an den Arbeitsplatz zurückkehren? Hier gibt es folgende Regeln zu beachten:
1.
Der gesetzliche Urlaub erlischt 15 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist. Die gesetzlichen Urlaubstage aus dem Jahr 2012 (20 Tage bei einer 5-Tage Woche sowie ggf. Sonderurlaub aufgrund einer Schwerbehinderung mit einem Behinderungsgrad von mindestens 50 %) verfallen demnach erst mit Ablauf des 31. März 2014.
2.
Ein möglicherweise darüber hinausgehender tariflicher Urlaubsanspruch erlischt nach den jeweiligen tariflichen Verfallsklauseln, die nicht mit der Frist von 15 Monaten identisch sein müssen.
Beispiel: Hat ein Arbeitnehmer 30 Tage Urlaub im Jahr 2012, der sich aus 20 Tagen gesetzlichem Urlaub und aus 10 Tagen tariflichem Urlaub zusammensetzt, so erlischt der gesetzliche Urlaubsanspruch von 20 Tagen mit Ablauf des 31.03.2014 (31.12.2012 plus 15 Monate), der tarifliche Urlaub von 10 Tage aufgrund des Tarifvertrages aber möglicherweise bereits am 30.04.2013.
Fazit: Das Erlöschen des tariflichen Urlaubs kann variieren, die Verfallsfrist für den gesetzlichen Urlaub beträgt hingegen immer 15 Monate, gerechnet ab Ende des jeweiligen Bezugszeitraumes.
3.
Für die Gewährung des angesammelten Urlaubs muss das Arbeitsverhältnis jedoch wieder aktiv sein. Dies bedeutet, dass der Urlaub aus früheren Bezugszeiträumen erlischt, wenn der Arbeitnehmer vor dem jeweiligen Verfallsdatum nicht wieder aktiv seiner Arbeit nachgegangen ist.
Beispiel: Ein Arbeitnehmer ist ab August 2010 dauerhaft krank und ihm stehen für das gesamte Jahr 2010 gesetzlich 24 Tage Urlaub (24 Tage bei einer 6-Tage Woche, § 3 BUrlG) sowie je 24 Tage für die Jahre 2011, 2012 und 2013 zu. Der anteilige, noch nicht gewährte und genommene Urlaub aus 2010 verfällt nach der neuen Rechtsprechung mit Ablauf des 31.03.2012, der Urlaub aus 2011 mit Ablauf des 31.03.2013 und der Urlaub für 2012 mit Ablauf des 31.03.2014 usw.
Wenn der Arbeitnehmer ab 01.01.2013 wieder genesen ist und seiner Arbeit nachgeht, dann ist zwar der Anspruch aus 2010 mit Ablauf des 31.03.2012 verfallen, jedoch kann der Arbeitnehmer ab dem 01.01.2013 bis zum 31.03.2013 den gesetzlichen Urlaub aus 2011 noch nehmen. Der Urlaub für 2012 muss bis zum 31.03.2014 gewährt und genommen werden usw. Wird der Urlaub aus 2011 nach der Genesung nicht bis zum 31.03.2013 genommen, verfällt dieser ersatzlos.
Aufgrund der neuen Rechtsprechung ist die Einhaltung der Fristen ganz entscheidend. Arbeitnehmer die nach langer Krankheit an den Arbeitsplatz zurückkehren, sollten sich möglichst schnell mit dem Arbeitgeber über den Umgang mit den angesammelten Urlaubstagen unterhalten. So bleibt allen Beteiligten der Weg zum Arbeitsgericht erspart.
Fazit: Früher war es möglich, dass Dauererkrankte ihre Urlaubsansprüche unendlich ansammeln konnten. Mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes, Az. C-214/10 vom 22.11.2011 wurde dies widerlegt und von dem Bundesarbeitsgericht in mehreren Entscheidungen, z.B. BAG Az. 9 AZR 353/10 vom 07.08.2012 aufgegriffen und umgesetzt. Die verlängerte Frist für Urlaubsanträge von 15 Monaten für Langzeitkranke kommt den Arbeitnehmern aber dennoch entgegen.
Lesen Sie dazu auch: Urlaubsanspruch trotz langer Krankheit - Artikel des Sozialverband VdK