Berufsvoraussetzung: Selber krank sein
Genesungsbegleiter kennen die Situation psychisch Kranker aus eigener Erfahrung und helfen „auf Augenhöhe“
Die Zahl der psychisch Kranken steigt. Jeder siebte Krankheitstag hat seine Ursache in einer psychischen Erkrankung. Unternehmen spüren das, wenn ein Beschäftigter immer mehr Fehlzeiten hat, oder gar vorzeitig aus dem Berufsleben ausscheidet. Um das zu verhindern und schnelle
Hilfe für Betroffene im Betrieb anzubieten, gibt es Genesungsbegleiter.
Das Besondere an Genesungsbegleitern ist: Sie sind selbst Betroffene, haben eigene Erfahrungen mit psychischen Ausnahmesituationen und Krankheitsbildern. „Man muss selber krank sein, aber eine stabile Phase haben“, bringt es Tanja Weil auf den Punkt. Nach dem Tod ihrer Mutter litt sie unter starken Depressionen. Heute arbeitet sie wieder in der Montage bei ihrem Arbeitgeber in Dillingen und kann offen mit der eigenen Geschichte umgehen. Genesungsbegleiter sind ein positives Beispiel für Betroffene. Sie sind in hohem Maße glaubwürdig, überzeugen mit praktischen und lebensnahen Tipps und ergänzen mit Erfahrungswissen das Lehrwissen der Profis. Sie arbeiten in ihrem Betrieb und sind gleichzeitig Genesungsbegleiter.
Genesungsbegleiterin Weil sagt: „Schnelle Hilfe ist wichtig.“ Sie ist gut vernetzt und kann ohne Verzögerungen Termine bei weiteren Gesprächspartnern und Anlaufstellen vermitteln. Auch wenn „Zwischenmenschliches“ zu psychischen Belastungen führt, kann sie unter Kollegen und gegenüber Vorgesetzten vermitteln.
In der Praxis komme es oft vor, dass Kollegen zu ihr kommen und sagen: „Im Moment ist mir einfach alles zu viel.“ Hier könne sie dann präventiv arbeiten, damit es erst gar nicht zu Krankheitstagen und längeren Fehlzeiten komme. Das niederschwellige Angebot hat hohe Erfolgsaussichten. „Ex-In“ (Experienced Involvement) heißt das Konzept, nach dem Betroffene mit ihren persönlichen Erfahrungen und einer Zusatzausbildung zum Genesungsbegleiter eine besondere Rolle im Unternehmen einnehmen: Sie beraten Betroffene und übersetzen und dolmetschen quasi zwischen erkrankten Mitarbeitern und Kollegen und Chefs.
Tanja Weil hat zusammen mit anderen ein Ausbildungskonzept entwickelt: „Präventionsberatung und Genesungsbegleitung psychischer Erkrankungen im Betrieb“, kurz PGiB. Das Projekt wird vom Bezirk Schwaben gefördert.Die PGiB qualifiziert und schult Mitarbeiter, die im Betrieb als Genesungsbegleiter tätig sein können. Mehr Infos über die Ausbildung und weitere Angebote gibt es unter:
www.pgib-gmbh.de
Text: Christina Zuber